Bläserarbeit unter dem Kreuz

von marx (Kommentare: 0)

Die Bläser der Greifswalder Johannesgemeinde fliegen im Februar nach Afrika, um mit einem dortigen Posaunenchor Musik zu machen. Wieso das Reisefieber in der Gruppe seit 2011 nicht abebbt und welche Erfahrungen die Teilnehmer schon im Gepäck haben, erzähl

Greifswald. „Sag mal, bist Du gerade in Deutschland?“ Wenn das die Eröffnungsfrage am Telefon ist, dann weiß man, dass man viel unterwegs war. Aber das hat auch einen guten Grund: Die Posaunenchorarbeit der Greifswalder Johannesgemeinde geschieht in doppelter Hinsicht unter dem Zeichen des Kreuzes. Wie wohl die meisten Posaunenchöre sehen wir das Musizieren in unserer Gemeinde als Herzstück unserer Arbeit an. Daneben pflegen wir aber auch noch zu Posaunenchören in Namibia, Süd Afrika, Japan und den USA Partnerschaften – auch im geographischen Sinne unter dem Zeichen des Kreuzes, wie man auf der Karte sieht.
Einige der Beziehungen bauen auf mehrjährigen Besuchen auf, andere sind noch ganz jung. Auf dem Ökumenischen Kirchentag Vorpommern 2011 war in der Johannesgemeinde zunächst die Idee entstanden, sich mit einer Partnergemeinde in Süd Afrika auszutauschen: das Alltägliche zu teilen, Gemeindeleben hier und dort wahrzunehmen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu erforschen. Das war und ist das Ziel. Aber hieraus wurde schnell mehr. Eine Posaunenchorpartnerschaft ist entstanden, über zehn Mal haben Greifswalder Bläser schon Chöre in Süd Afrika und im Nachbarland Namibia besucht, umgekehrt waren einzelne der Bläser auch hier zu Gast. Gemeinsames Musizieren ist einfach ein hervorragendes Mittel, sich trotz Sprachbarrieren kennen zu lernen.

Gelegentlich haben wir auch das Glück, dass Bläser aus anderen Ländern in unserem Greifswalder Chor landen, weil sie für einige Zeit hier an der Uni studieren. So kommt die Welt zu uns. Manche dieser Gäste haben wir später als Chor in ihren Heimatländern besucht, inzwischen haben wir alle einen gemeinsamen Traum: Menschen, die Spaß und Freude daran haben, Musik zu machen, die Jesus Christus als ihren Herrn anerkennen und reiselustig sind, miteinander zu verbinden, weltweit. Rund 22 Mitglieder gehören unserem Chor inzwischen an, zu den Reisen kommen oft auch Ehemalige mit. Im Unterwegssein, Kennenlernen anderer Länder und Denkweisen und dem Weitergeben dieser Erfahrungen sehen wir einen wichtigen Beitrag zum Zusammenwachsen der Welt.

Es sind die gegensätzlichen Erfahrungen, die spannend sind: die Enge der Metropole Tokyos in Japan und die Weite der Kalahariwüste Süd Afrikas. Der Überfluss und der materielle Reichtum in North Carolina, USA, und die bescheidene private Unterbringung bei Gemeindegliedern in Rehoboth in Namibia. Aber auch das Gemeinsame, das Gebet und die Musik sind jedes Mal wieder ein Erlebnis. Wir sind dabei immer Lernende und Lehrende zugleich. Es ist ein Austausch von Erfahrungen.
Die Sicht auf unsere eigene Situation ändert sich durch die neuen Blickwinkel. Die Wahrnehmung der Sicherheit, in der wir in Europa leben, ist zum Beispiel sehr geschärft, seit wir den von Bandenkriegen dominierten Stadtteil Lavender Hill in Kapstadt kennen – und einen Schusswechsel nur ein paar Straßen von unserer Unterkunft entfernt miterlebten. Man liest die Jahreslosung für 2020 nach solchen Erfahrungen noch einmal ganz anders: „Suche Frieden und jage ihm nach“ (Psalm 34,15)
Auch das Gefühl, in Vorpommern würden nur wenige Christen leben, kann sich wandeln, wenn man etwa mit japanischen Gemeinden in Kontakt kommt. „Wir sind hier so wenige Christen. Wenn wir uns nach Konfessionen trennen, dann feiern wir alleine. Wir wollen lieber alle gemeinsam unsern Herrn feiern“ – das erklärte uns Kris Marose von der St. Paul’s International Lutheran Church in Tokyo, als wir im vergangenen Jahr dort Musik machten. In Japan gehören gerade einmal zwei Prozent der Bevölkerung zur christlichen Kirche, viele von ihnen stammen aus anderen Ländern. In der St. Paulskirche in Tokyo treffen sich denn auch Christen aus aller Welt, die Gemeinde ist sehr bunt, offen und einladend. Und die Liturgie so lutherisch wie unsere.

Dass die Entfernung zwischen Vorpommern und „Mecklenburg“ etwa 8000 Kilometer betragen kann, lernten wir im vergangenen HerbstXXX: als wir die Musikarchive der Herrnhuter in Winston-Salem besuchten, die im „Mecklenburg County“ an der Ostküste der USA liegen. „Früher haben Jungbläser als erstes ihr eigenes Choralbuch abgeschrieben“ erzählte uns dort Dr. Nola Reed Knouse, Direktorin des Herrnhuter Musik Archivs in Winston-Salem. Ein über 200 Jahre altes, handgeschriebenes Exemplar präsentierte sie uns. Ein beeindruckendes Archiv, in dem echte Schätze der Bläsermusik liegen, wie zum Beispiel Bläsersonaten des Rostockers Weber. Eine gute Erinnerung daran, auf welchem reichen Fundament die Posaunenchorarbeit steht.

Eine besondere Freude ist es natürlich auch, wenn wir durch unsere Vernetzung bei akuten Fragen helfen können. Einem Posaunenchor in Wupperthal in Süd Afrika, der nach einer Brandkatastrophe sowohl Instrumente als auch Noten verlor, konnten wir im vergangenen Jahr kurzfristig helfen (die Kirchenzeitung berichtete): mit einem mutmachenden Besuch und gespendeten Instrumenten. In einigen Wochen werden wir wieder dort sein, um mit dem Chor gemeinsam zu musizieren. Und wenn dann jemand fragt: Ist Gerrit gerade in Deutschland? Dann hilft vielleicht der Verweise auf unseren Reiseblog.

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